Research Teaching Talks

Practices of Exhibiting in Publications, 1963-1970

[Short abstract in English]

In my PhD project, supervised by Prof. Dr. Beatrice von Bismarck at the Academy of Visual Arts Leipzig, I studied exhibition practices of the long 1960s in which books, magazines, multiples and ephemera formed the only material manifestation of an exhibition. In focusing on case studies that have so far not entered the discourse on the ‘exhibition-as-publication’ and that attest to a larger geographical and art-historical scope, my aim is to challenge and complicate the canonical representation of this phenomenon as occurring in the work of two main protagonists of Conceptual art, Seth Siegelaub and Lucy Lippard, only.

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[Longer abstract in German]

Praktiken des Ausstellers in Publikationen. Zum Wandel des Öffentlich-Werdens der Kunst in den 1960er-Jahren

Die im Dezember 2020 abgegebene und mit dem Gesamtprädikat summa cum laude bewertete Arbeit widmet sich dem Aufkommen von Praxisformen des Ausstellens in Pub­­li­kationen im Zeitraum von 1963 bis 1970. Sie ist in drei thematische Kapitel gegliedert, die den Unter­­suchungs­gegenstand entlang folgender Aspekte entfalten: Parti­zi­pa­tion, „De­ma­te­ria­li­sie­rung“ und Inter­natio­nalismus. Der Fokus liegt damit auf den erhofften positiven Effekten und Mög­lich­­­keits­zu­schrei­bun­gen, die sich mit der Nutzung des Publi­ka­tions­formats im Ausstellungskontext historisch verbanden. In Fallstudien vertiefend analysiert werden die „trag­baren Gale­rien“ von Barbara Block und Christian Chruxin in Westberlin, Katalog­ausstel­lun­gen von Seth Siegelaub in New York, expositorische Projekte des japanischen Konzept­künstlers Matsu­zawa Yutaka sowie Bulletins der Amster­damer Galerie art & project.

Der Zugriff auf den Untersuchungs­gegen­stand erfolgt unter Anwendung der Methodik der „Entangled-Histories“-Forschung und der Praxeologie. Zur Auswahl der Fallbeispiele werden zeitgenössische Quellen herangezogen, die den inten­dier­ten Status der untersuchten Projekte als Ausstellungen dokumentieren und es ermöglichen, diese aus heutiger Sicht im Feld der Ausstellungs­wissen­schaften zu verorten – auch wenn sie aufgrund ihrer unorthodoxen Media­li­tät und Erscheinungs­weise teils nicht unter diesem Begriff in den Diskurs eingegangen sind. Durch das Zusammentragen von Ansätzen, die bislang vorwiegend innerhalb einzelner natio­nal geprägter kunsthistorischer Narrative existierten, leistet die Studie einen Beitrag zu einer transnationalen Verflechtungsgeschichte des Ausstellens in Publikationen; sie arbeitet Mani­fes­­ta­tionen von Synchronizität heraus, sowohl im Rahmen persönlicher Kontakte als auch rück­blickend rekonstruierbarer Paral­lelen.

Im ersten Kapitel wird das Partizipationsversprechen des Ausstellens in Publikationen untersucht: Erörtert werden, erstens, die mit dem Begriff verbundenen Möglichkeiten eines Über­win­­dens ex­klu­dierender Zu­gangs­me­cha­nis­men und einer „Demo­kra­ti­sie­rung des Kunst­konsums“ durch Strategien von Vervielfältigung und Re­pro­duktion. Zweitens wird der Partizi­pa­tionsbegriff im Hinblick auf Versuche einer Beteiligung des Publikums am künst­le­ri­schen Pro­zess diskutiert, die sich im zeit­ge­nös­sischen Diskurs im Wunsch nach einer „Aktivierung“ der Re­zi­­pi­e­renden verdichteten. Sie brachten die zu eigener Handhabung, Mani­pu­la­tion und expe­ri­­­men­tel­lem Spiel einladenden Fluxus-Boxen sowie andere Publikationen hervor.

In der dazugehörigen Fallstudie werden die Ausstellungen der von Barbara Block und Christian Chruxin betriebenen Westberliner Galerie „situationen 60“ analysiert, die sich in der Publika­tions­­reihe „dokumentation b“ konzeptuell fortsetzten. Gestaltet als „trag­­bare Galerien“ mit aufklapp­baren Faltkartons und „Variationselementen“ sollten diese Publikationen die Betrach­ter*in­nen „akti­vie­ren“ und dienten dem Erproben von Alternativen zum Format der Galerie­aus­stellung. Am Beispiel der Aus­stel­lungen von Henryk Berlewi und Bernhard Höke wird gezeigt, wie Rezipierende durch den Aufbau und das Bewegen der Elemente, das Ausführen von Ins­truk­tio­nen und die Herstellung von „Do-it-yourself“-Multip­les in den künst­ler­ischen Pro­zess einbe­zo­gen werden sollten.

Im zweiten Kapitel stehen das Konzept der „Dematerialisierung“ des Kunstobjekts und die damit verbundene Neudefinition der Parameter künstlerischer und expositorischer Praxis in der Con­ceptual Art im Fokus. Durch eine Analyse des 1968 von Lucy Lippard und John Chandler in den Diskurs ein­geführten Konzepts der „Dematerialisierung“ der Kunst wird die implizite Kopplung eines physischen mit einem ökonomischen Materialismus nachgezeichnet: Die „dema­­teriali­sier­ten“ Praktiken der Conceptual Art wichen in der Regel von objekt­ba­sierten und damit, so die his­torische Annahme, vermeintlich auch von waren­för­mi­gen Konzeptionen von Kunst ab. Das Ausloten von Möglich­keiten eines radikalen Ver­zichts auf die Produktion und den Verkauf von Kunst­­ob­jek­­ten zuguns­ten neuer Methoden der Kompen­sation künstlerischer Arbeit wird zu den An­liegen Art Wor­kers’ Coalition in Bezug gesetzt.

Am Beispiel der Ausstellungsprojekte von Seth Siegelaub wird das Versprechen einer „Dema­terialisierung“ der Kunst und einer so ermöglichten Koinzidenz der Kontexte von Produk­tion und Präsentation analysiert. Statt sich gegen jeglichen Handel mit Kunst auszu­spre­­chen, trans­fe­­­rierte Siegelaub im Modell der „Ausstellung-als-Kata­log“ den Wa­ren­sta­tus vom Kunstobjekt auf die als Ausstellung deklarierte und zur Vermittlerin von „Primärinformationen“ auf­ge­wer­te­te Pub­li­kation. Mit seiner Praxis des Ausstellens in Publi­­kationen erprobte er eine pragma­ti­sche Umsetzung der politischen Utopien der Conceptual Art: Durch die Aus­zah­lung von Hono­ra­ren und Tan­tie­men für eigens zur Präsentation im „Xerox Book“ erstellte künstlerische Bei­trä­ge sollten die ökonomische Abhängigkeit der Künst­ler*in­nen von Verkäufen reduziert, deren Arbeitsbedingungen ver­bessert und nach Vor­bild des „Sozial­­­un­ter­neh­mer­tums“ ein Mo­dell der Kompen­sation künstlerischer Arbeit auf Basis einer innovativen unter­neh­meri­schen Idee etabliert werden.

Das dritte Kapitel untersucht die Möglichkeiten, die das Ausstellen in Publikationen im Kontext konzeptualistischer Praktiken bot, um über Grenzen hinaus zu wirken und durch künst­­lerischen Austausch transnationale Netzwerke aufzubauen. Im ersten Teil des Kapitels erfolgt eine Ein­ord­nung des „Internationalismus“ als wiederkehrendem Topos der Kunst- und Aus­stel­lungs­geschichte. In diesem Kontext wird die spezifische Bedeutung des Konzepts in Westeuropa, den USA und Japan diskutiert. Das zentrale Motiv des Austauschs, wie es den Ver­sand von Ephemera in der Mail Art kennzeichnet, spiegelt sich auch im Aufbau des Kapitels: Anknüpfend an me­tho­di­sche Ansätze der „Entangled Histories“-Forschung macht es die Berührungspunkte und Ver­flech­tungen zwischen den untersuchten Praktiken des Aus­stel­lens in Publikationen in den Nie­der­­landen und Japan zum strukturierenden Prinzip.

Im ersten Teil der Fallstudie wird die Praxis des japanischen Konzeptkünstlers Matsuzawa Yutaka vorgestellt, der ab 1964 innovative Ausstellungen realisierte, die sich allein in Publi­ka­tionen physisch manifestierten. Im zweiten Abschnitt liegt der Fokus auf der Am­ster­da­mer Galerie art & project und deren in den Anfangsjahren zwischen 1968 und 1970 produzierte Bulletins, die als einzige ma­te­rielle Manifestation einer Ausstellung konzipiert waren. Im drit­ten und vierten Abschnitt wird jeweils der Austausch zwischen Matsuzawa und art & project in Form gemeinsamer Pro­jek­te erörtert: dem als Ausstellung verstandenen art & project: bulletin 21 mit Arbeiten Matsu­zawas, das entstand, als art & project 1970 temporär die Galerie­tätigkeit nach Tokio verlegte, und schließlich Matsuzawas Gegeneinladung an art & project, an einer „inter­na­tio­na­len“ Mail-Art-Ausstellung in Kyoto mit dem Titel Nirvana. Toward the final art teil­zunehmen.

In der Gesamtschau dieser drei Kapitel und auf die darin diskutierten Versprechen der Partizipa­tion, der „Dematerialisierung“ und des Internationalismus wird deutlich, dass das Aus­stellen in Publikationen in den Jahren von 1963 bis 1970 in unterschiedlichen gesell­schaft­lichen und künst­­lerischen Kon­tex­ten Gestalt annahm und Teil eines umfassenden Wan­dels der Modi des Öffentlich-Werdens von Kunst war. Am Beispiel von Ausstellungen mit kon­zeptuellen Arbeiten von Künstler*innen aus den Staaten des ehemaligen Ost­blocks, die Jorge Glusberg 1973/1974 am CAyC in Buenos Aires organisierte, werden abschließend Konturen weiterer For­­­­schung zum Untersuchungsgegenstand skizziert. Die Analyse der Ver­bin­dun­gen zwischen Ak­teur*innen, die jenseits der „Zentren“ der damaligen Kunst­welt operierten und denen dadurch keine hierarchischen Zu­schreibungen des „Anderen“ inhärent waren, zeigt die Potenziale ei­ner trans­nationalen Betrachtung des Ausstellens in Publikationen und deren Anschluss­fähig­keit zu ak­tuel­len Debatten über eine postkoloniale Wende der Kunst- und Ausstellungs­wis­sen­schaf­ten.

 

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