Der Lichtstrahl einer Videoprojektion trifft auf einen kaum sichtbaren, feinen Nebel, der sich an einer zentralen Stelle des verdunkelten Ausstellungsraums zum Bildträger verdichtet. Nacheinander erscheinen darauf drei Männer, die sich als die Geister der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ausgeben. Mit verzerrten Stimmen, in gravitätisch-ernstem Ton, lamentieren sie über den unheilvollen Zustand der Welt.
Für die 13. Ausstellung im Studioraum 45cbm berufen sich die Künstler Matthias Böhler, Felix Burger und Christian Orendt auf die berühmte Geschichte A Christmas Carol. Mit seinem sozialkritischen Erzählstück um den grimmigen Geizhals Ebenezer Scrooge wollte Charles Dickens Mitte des 19. Jahrhunderts auf Not und Elend der englischen Bevölkerung aufmerksam machen. In der Studioraumausstellung A Mess Carol thematisieren die Künstler das gesellschaftliche „Schlamassel“ (engl. mess) in einem Sprechgesang, der dem Aufbau der Erzählung bei Dickens folgt: Auf einen Rückblick zu den Anfängen folgen die ernüchternde Gegenwartsanalyse und das Szenario einer vermeintlich düsteren Zukunft.
Die moralische Erziehung des Publikums, die Dickens für sich beansprucht, greifen die Künstler in der Ausstellung als ironische Pose auf. So klingt der belehrende Ton der vermeintlichen Geister wie das Echo einer Haltung aus vergangener Zeit, die inzwischen von einer Form der Gesellschaftskritik als bloß rhetorischer Figur abgelöst zu sein scheint. Die Künstler zielen nicht auf einen Appell zur unmittelbaren Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Vielmehr eignen sie sich den Sprachstil moralischer Überlegenheit an, um auf die Unmöglichkeit einer solchen Haltung angesichts der Unübersichtlichkeit des gesellschaftlichen Schlamassels der Gegenwart aufmerksam zu machen.
Passend zu der für Matthias Böhler, Felix Burger und Christian Orendt typischen Komplexität der künstlerischen Auseinandersetzung, sind die Geistererscheinungen der Videoprojektion eingebettet in ein vielschichtiges, mystisch aufgeladenes Setting. Den Ansatzpunkt dafür bildet die Geschichte eines Dauergasts in einer verlassenen Suite des Schlosshotels Bühler Höhe, die durch Dokumente und Objekte in einer Vitrine vor dem Eingang zum Studioraum nachgezeichnet wird. Auch im Wandtext zur Ausstellung greifen Fiktion und Realität ineinander, das Schlamassel bleibt zurück – und wird doch erstmals sichtbar.